Einführung

EBERHARD FRIEDRICH WALCKER
Einführung
(Autor : Johannes Fischer)
Es ist für Johann Eberhard Walcker kennzeichnend, dass er trotz seiner dauernden finanziellen Hemmungen den Sohn Eberhard Friedrich in die Lateinschule schickte. Für eine Anzahl theoretischer Fragen z. B. im Bereich der Physik, der Mathematik, der Raumlehre, Akustik usw. hat der Sohn durch den Besuch der höheren Schule gegenüber dem Vater einen Vorsprung, der ihm besonders bei der späteren Zusammenarbeit mit Abbe Vogler sehr zustatten kam. Das Entscheidende freilich ging tiefer. Eberhard Friedrich fühlte zu dem Beruf des Orgelbauers eine wirkliche Berufung und sah in dessen Ausübung geradewegs die Erfüllung eines Auftrages. In der Zeitschrift „Daheim" Nr. 26 vom Jahre 1869 berichtet Karl Friedrich Klaiber über einen Besuch im Walckerschen Orgelbaubetrieb. Er habe bei der Gelegenheit Walcker gefragt: „Ist Ihnen auch die Anerkennung zuteil geworden, die Ihr rastloses Streben nach Vervollkommnung Ihrer Leistung verdiente?" „Nun", antwortete er uns, „der erste Lohn liegt in dem Streben selbst und in dem Bewusstsein, an einen von Gott gegebenen Beruf die Kraft seines Lebens gesetzt zu haben." Das war bei Eberhard Friedrich keine Phrase. Aus ungezählten Äußerungen von ihm zu seiner Frau, seinen Kindern und Freunden erspürt man, dass Walckers Leben unter zwei großen Gesetzen stand; das eine war der Auftrag, „der von Gott gegebene Beruf", das andere die große Sinngebung seines Lebens: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit." Mag das in der Jugend noch nicht mit der Klarheit in seinem Bewusstsein gewesen sein wie in reiferen Jahren, ein Ahnen davon war immer in ihm lebendig.
 
Als er zu erkennen gab, dass er Orgelbauer werden wollte, sträubte sich die Mutter aufs äußerste dagegen. Sie wollte ihren Sohn davor schützen, dass auch er in ein Leben hineingehe, das nur eine von Künstlerruhm übertünchte, fortgesetzte wirtschaftliche Kümmernis bedeute. In den düstersten Farben schilderte sie dem Sohn das Los eines Orgelbauers. Der Sohn war zwar keineswegs überzeugt von der Richtigkeit dieser Darstellung, aber er sah auch, dass er seine Mutter nicht umstimmen könne, und gab deshalb — zweifellos mit innerem Vorbehalt — zeitweilig der Mutter nach, indem er bei einem Wagenlackierer und Lacksieder in die Lehre ging. An den Sonntagen und bei sonstigen Gelegenheiten ließ er sich nach wie vor vom Vater in der Kunst des Orgelbaues unterrichten, dem auch weiterhin seine Liebe gehörte. Im Jahre 1815 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Als aber Napoleon durch die Schlacht bei Waterloo am Ende seiner Macht angekommen war, sprangen auch in Württemberg neue Hoffnungen auf. Das Leben beruhigte sich, man gewann auch für geistige und kulturelle Dinge neuen Mut. Johann Eberhard Walcker hatte den Auftrag bekommen, für die Kirche in Schwaigern eine neue Orgel zu bauen. So fand sich die Mutter schließlich damit ab, dass, als Eberhard vom Krieg heimkehrte, er wieder beim Vater als Orgelmacher arbeitete. Eine glückliche Fügung wollte es, dass der zu seiner Zeit berühmte Komponist und Orgelspieler Abbe Vogler mit dem jungen angehenden Orgelbauer Eberhard Friedrich in Berührung kam. Er sah in ihm einen äußerst bildsamen, aufgeschlossenen und strebsamen Praktiker des Orgelbaues und zog den jungen Mann zu den Umstellungen der Register an der Cannstatter Orgel heran, die Vogler an jeder Orgel zu seinem Spiel für notwendig hielt, führte ihn auch in die musikwissenschaftlichen Grundgedanken ein, die der Voglerschen Reform des Orgelspiels und des Orgelbaues zugrunde lagen. Walcker war dafür ein durchaus bereiter und, wie noch zu zeigen sein wird, auch gelehriger Schüler. Es war nicht seine Art, einfach abzuschreiben, sondern er wollte den Dingen auf den Grund gehen und seiner Sache auch erkenntnismäßig sicher sein. Dabei kannte er den gescheiten schwäbischen Erfahrungssatz: „Probieren geht über Studieren." So wäre ihm dieser Schwaigener Auftrag auch in dieser Beziehung besonders willkommen gewesen. Er wusste, dass die Brücke von der Theorie zur Praxis immer das Experiment ist. Solche Experimente hatten aber bei Johann Eberhard Walcker sehr unkünstlerisches und teures Brennholz ergeben. Eberhard Friedrichs Reformpläne waren zwar durch das Zusammenwirken von wissenschaftlicher und praktischer Vorarbeit um ein gut Teil sicherer, aber die Hoffnung, den neuen Orgelbau für Schwaigern wenigstens teilweise dazu benützen zu können, diese Pläne durchzuführen, scheiterte trotzdem am unbeugsamen Widerspruch der Mutter. Von da ab wusste er, dass er zur Durchführung seiner Pläne sich selbständig machen musste. Immerhin war er nun doch auf der Bahn, auf der sich sein Leben erfüllen konnte, erfüllen musste. Er war Orgelbauer!

Johannes Fischer 'Orgelbauergeschlecht Walcker'
Persönlichkeit